CDL: Gesetzentwurf geht in die falsche Richtung

Die beiden Abgeordnetengruppen um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (B90/Grüne) haben in Berlin einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Suizidbeihilfe sowie einen Entschließungsantrag zur Suizidprävention vorgestellt. Für die Christdemokraten für das Leben e. V. (CDL) nimmt die Bundesvorsitzende, Susanne Wenzel, dazu Stellung:

„Aus Sicht der CDL geht auch der neu aufgesetzte Gesetzentwurf der Gruppe Helling-Plahr und Künast komplett in die falsche Richtung. Leider gehen die Verfasser von einigen nicht korrekten Grundannahmen aus. So wird immer wieder die freiverantwortliche Entscheidung zum Suizid im Entwurf betont. Längst ist aber das Konstrukt der freiverantwortlichen, über einen längeren Zeitraum festen Entscheidung zum Suizid in der Fachliteratur widerlegt. In der Realität resultieren über 90 Prozent der Suizidwünsche aus psychischen Erkrankungen, wie etwa unbehandelten Depressionen. Hier lediglich ein Beratungsgespräch anzubieten, über dessen konkrete Ausgestaltung nur bekannt ist, dass es „ergebnisoffen“ sein soll, ist höchst problematisch. Für den Menschen mit Suizidwunsch ist entscheidend, wie sein Gegenüber, dem er seine scheinbar ausweglose Situation schildert, auf seinen Wunsch und seine Notlage reagiert. Er soll sich einer fremden Person in dem Beratungsgespräch öffnen und Vertrauen fassen, um Interventionsmöglichkeiten überhaupt zu diskutieren. Suizidwünsche sind ambivalent. Die Betroffenen wollen in der Regel  unter den derzeitigen Umständen,  nicht weiterleben. Der Lebenswille kann allerdings zurückkehren, wenn die Situation sich verändert. Oft werden in dieser Phase der Ambivalenz von sich aus Hilfsangebote (wie der Hausarzt und Telefonangebote) aufgesucht. Erlebnisberichten z.B. aus Hospizen kann man das immer wieder entnehmen. Dies zeigt, wie wichtig permanente therapeutische Angebote und Begleitungen sind. Wohin die Maßgabe einer „ergebnisoffenen“ und „nicht bevormundenden“ Beratung führt, kann man seit Jahren bei der Schwangerschaftskonfliktberatung beobachten, die im Gegensatz zur „Suizidberatung“ laut Gesetz ausdrücklich auch noch auf das Leben hin ausgerichtet sein soll. Hier hat sich die „lebensbejahende“ Beratung durch die Forderung nach Ergebnisoffenheit in viel zu vielen Fällen in eine „neutrale“ Beratung gewandelt. Und es steht nach Ansicht der CDL zu befürchten, dass es im Fall der Suizidbeihilfe nicht anders sein wird.

Es stellt sich zugleich die Frage, welches geschulte Fachpersonal die Beratung machen soll? Wer kann und will immer wieder erleben, dass die eigenen Bemühungen um das Leben eines Menschen scheitern, man aber durch die Scheinausstellung an der Selbsttötung oder dem assistierten Suizid dieses Menschen mitwirken soll, zu dem man versucht hat eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, weil man eine gesetzliche Bestimmung erfüllen sollt? Wie will der Staat ein solches Beratungssystem ambulant oder stationär gewährleisten können?

Eine Stärkung der Palliativversorgung und der Suizidprävention wäre daher äußerst begrüßenswert. Darauf sollten sich alle Förderungsmaßnahmen des Staates konzentrieren.

Sowohl der Gesetzentwurf als auch der Entschließungsantrag nehmen wiederholt auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes Bezug. Dabei ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus Sicht der CDL fehlgeleitet, da es die Autonomie des Menschen zum Maß aller Dinge erhebt und wesentliche Faktoren des menschlichen Lebens und des Menschen als Teil der Gesellschaft ausblendet. In früheren Entscheidungen hat das Höchstgericht den Menschen als „nicht isoliertes und selbstherrliches“, sondern als „gemeinschaftsbezogenes und gemeinschaftsgebundenes Individuum“ definiert, dessen Handlungsfreiheit „nicht prinzipiell unbegrenzt sein kann“ , sondern vielmehr der Einzelne sich „diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen“ muss, „die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens … zieht“. (vgl. BVerfGE 33, 303 ff.).  Dem widerspricht im Übrigen auch die Aussage in Entwurf und Entschließungsantrag, dass der Suizid von der Gesellschaft zu respektieren und dementsprechend zu entstigmatisieren sei. Eine echte Prävention, die sich tatsächlich am Wertesystem unserer Gesellschaft orientiert, in dem das Tötungsverbot doch ein wesentlicher Bestandteil ist, muss dazu aufrufen, nicht den Suizid zu entstigmatisieren und damit als normale medizinische Leistung oder legitime Behandlungsalternative erscheinen zu lassen, sie muss im Gegenteil darauf hinwirken, Krankheit, Schwäche und Alter im Allgemeinen, aber auch psychische Erkrankungen und daraus resultierende Suizidwünsche zu entstigmatisieren. Wenn eine humane Gesellschaft, zu deren Grundwerten gerade auch das Tötungsverbot gehörte, den Suizid „respektiert“ und als „normale“ Option zur Lösung von (gesundheitlichen) Notlagen ansieht, dann hat sie versagt. Zum Humanismus gehört auch, dass dem Menschen in seiner Not geholfen wird, auch wenn er diese Entscheidung in seiner subjektiven Notlage nicht mehr selbst treffen kann.“

 

Christdemokraten für das Leben e.V.
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