CDL fordert Solidarität für Hilfesuchende statt Akzeptanz der Suizidhilfe

Pressemeldung:

Norwalde, 20.4.2021

Zu der morgen, am 21.04.2021, im Bundestag anstehenden Grundsatzdebatte um die Sterbehilfe und § 217 StGB, die im Livestream des Bundestages übertragen wird, nimmt die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Mechthild Löhr, kritisch inhaltlich Stellung:

Am Mittwoch, 21. April, diskutiert der Bundestag im Rahmen einer offenen Debatte über den § 217 und die Bedingungen für den ärztlich und gewerblich assistierten Suizid. Dass diese Debatte ausgerechnet in der Mitte der alljährlichen ökumenischen „Woche für das Leben“ (diesmal unter dem Titel: „Leben im Sterben“) stattfindet, darf leider nicht als positives Zeichen gewertet oder missverstanden werden.

Da das Bundesverfassungsgericht am 26.02.2020 das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe als verfassungswidrig und gleichzeitig erstmals das „Recht auf assistierten Suizid“ zum schützenswerten Ausdruck von Menschenwürde erklärt hatte, berät der Bundestag nun über mögliche rechtliche Konsequenzen insbesondere für Ärzte und geschäftsmäßige Sterbehilfevereine. Wie bei Grundsatzdebatten üblich, werden noch keine konkreten Gesetzesvorlagen diskutiert, obwohl inzwischen sogar drei Gesetzentwürfe vorliegen, die das „Recht auf Beihilfe zum Suizid“ für alle Bürger ab Volljährigkeit und im Wesentlichen ohne prinzipielle Einschränkungen straffrei gesetzlich verankern wollen.

Seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil ist es Sterbehilfevereinen und Suizidhelferinnen und Suizidhelfern wieder unbegrenzt möglich, in Deutschland tätig zu sein. Zudem ist jede private Form von Unterstützung beim Suizid grundsätzlich straffrei, sofern die Suizidenten diese Mitwirkung aus „freiem“ Willen und selbstverantwortlich erbeten und entschieden haben. Wie dies jedoch im Einzelfall, insbesondere bei den meist vulnerablen Suizidwilligen vorher oder nachher „neutral“ rechtssicher festgestellt werden kann, ist bisher rechtlich völlig offen und ungeklärt. Derzeit sind in Deutschland in der Regel rund 10.000 Suizide pro Jahr „erfolgreich“. Die Zahl der nicht „gelungenen“ Suizidversuche wird von Experten dagegen sogar auf mehr als 100.000 p.a. geschätzt.

Liegen bereits seit etlichen Wochen zwei Gesetzentwürfe aus dem Kreise der Linken und der SPD (Lauterbach u.a.) und der Grünen (Künast u.a.) vor sowie ein Eckpunktepapier vom CDU-Experten Hermann Gröhe u.a., ist nun kurz vor der Bundestagsdebatte auch ein Entwurf aus dem Hause des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) vorgelegt worden. Hier, wie auch in den anderen Gesetzesentwürfen ist eine beachtliche Gratwanderung nötig: denn einerseits wollen alle den Selbsttötungswunsch der Einzelnen und ihr „Recht“ auf selbstbestimmten Suizid „schützen“, als dennoch auch andererseits ihr Leben schützen und sicherstellen, dass nur solche Personen aktiv bei ihrem Suizid unterstützt werden dürfen, die ihren Entschluss tatsächlich „selbstbestimmt“ getroffen haben. Suizidhilfe durch Dritte bliebe dann also generell unabhängig von Gesundheit oder Alter straffrei, jedoch dann nicht, wenn nur eine „vorübergehende“ Lebenskrise oder eine psychische Erkrankung vorliege.

Nicht nur wir als Christdemokraten für das Leben (CDL) fragen: Will der Gesetzgeber denn realistisch einer nun drohenden gesellschaftlichen Normalisierung der Hilfe zur Selbsttötung noch entgegen wirken?

Alle drei Entwürfe schlagen dazu unterschiedlich „abgestufte Schutzkonzepte“ vor. Der Entwurf von Minister Spahn enthält bisher als einziger wieder ein grundsätzlich strafrechtliches Verbot der Hilfe zur Selbsttötung. Dies wird jedoch gleichzeitig wieder massiv ausgehöhlt, da jede Hilfe zum Suizid dann wieder ausnahmsweise straflos sein soll, wenn ein staatlich organisiertes abgestufte „Beratungskonzept“ eingehalten wird.

Die Beratungslösungen für neue Gesetze zum „Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben“, die in den verschiedenen Gesetzentwürfen vorgesehen sind, erinnern in fataler Weise bis hin zu wörtlichen Formulierungen an die Gesetzgebung zum Schwangerschaftskonflikt und zur Abtreibung, jedoch mit umgekehrter Grundannahme: Das „Recht“ auf Suizid ist unbestritten, nur die Mitwirkung muss durch Beratung dokumentiert werden, insbesondere dann, wenn sie durch Ärzte und Vereine erfolgen sollte. Angehörige oder andere der oder dem Suizidwilligen nahestehende Personen sollen jedoch generell in allen Entwürfen von jeder Strafdrohung ausgenommen sein. Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung wiederum soll verboten werden, das Informations- und Beratungsangebot dagegen sogar ausgebaut und gefördert.

Alle Gesetze, auch das „Gesetz der Regelung der Hilfe zur Selbsttötung“ von Minister Spahn, fordern damit die Einrichtung und öffentliche Förderung von Suizidberatungsstellen, die „unentgeltlich“ (?) „ergebnisoffene“ Beratungen anbieten und Wege aus Konfliktsituationen zeigen sollen, in jeweils unterschiedlich definiertem Abstand vor dem beabsichtigten Suizid.

Diese schockierende Perspektive eines staatlicherseits systematisch aufgebauten, privat-öffentlich finanzierten (?) neuen Beratungsnetzwerkes zur Aufklärung über Methoden und Risiken, zur Verhinderung und zur dann praktischen Unterstützung des Anspruchs auf Suizidassistenz durch Private, Ärzte oder Vereine ist nun offensichtlich die nächste Stufe der Preisgabe des Schutzes des menschlichen Lebens.

Die Mechanismen, die eine Förderung der öffentlichen Akzeptanz und Infrastruktur für die Durchführung von jährlich über 100.000 Abtreibungen  geschaffen haben, drohen nun erschreckend ähnlich auch für das Lebensende. Seinen Todeszeitpunkt wird jeder Bürger damit in Zukunft selber wählen können. So wie inzwischen vor allem die möglichst „geplante Elternschaft“ und die nur optionale Entscheidung für die Fortsetzung der Schwangerschaft, über Leben und Tod eines Embryos, immer mehr akzeptiert wird, droht nun auch hier der „geplante Tod“  zu einer möglichst medizinisch abgesicherten Leistung zu werden.

Die Bundesärztekammer wird auf ihrem kommenden Bundesärztetag vom 4. Mai an über die zukünftige Mitwirkung von Ärzten beim Suizid diskutieren und vermutlich bereits entscheiden. Nicht nur der Vorsitzende der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, auch der Leiter der ärztlichen Ethikkammer, Prof. Jochen Taupitz, haben schon deutlich signalisiert, daß sie die professionelle Unterstützung des Suizids durch Ärzte für vertretbar und sinnvoll halten, nicht etwa nur als ärztliche Aufgabe bei Schwerkranken und final Erkrankten. Doch die Debatte geht hier weiter.

Bei der Eröffnung der Woche für das Leben am Samstag in Augsburg (17.4.2021) vertrat der Vorsitzende der Weltärztekammer, sein Vorgänger Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, erfreulich deutlich eine andere Position: »Nicht Hilfe zum Sterben, sondern Hilfe beim Sterben ist unsere Verpflichtung. Tötung auf Verlangen ist allen Menschen verboten, und es gehört nicht zu unseren Aufgaben, ärztliche Sterbehilfe durch die Hintertür des ärztlich assistierten Suizids zu leisten. Das Bundesverfassungsgericht irrt, wenn es die menschliche Selbstbestimmung derart überhöht, dass sie sogar die Abschaffung ihrer selbst mit einschließt. Palliativmedizin und Hospizarbeit sind wirksame Mittel zur verantwortlichen Sterbebegleitung. Nicht der schnelle Tod, sondern das sanft begleitete Sterben an der Hand der Familie und eines Arztes sind ein würdiger Abschluss des Lebens.“

Offensichtlich sieht er, wie auch zahlreiche Fachvertreter der Depressions- und Suizidforschung und -Prävention sowie der Kirchen wie der Lebensschutzorganisationen, klar die große kulturelle Wende im Ärzteethos sowie fundamentale Lebensgefährdung vieler Menschen, wenn Suizidbeihilfe und ein „selbstbestimmter Tod“ zur legitimen Erwartung und zum legalen Anspruch am Lebensende werden sollten.

Die Beihilfe zum Suizid könnte so nur der erste Schritt auf dem Weg hin zur Tötung auf Verlangen werden. Denn der Todeswunsch von erwachsenen, informierten und autonom entscheidenden Menschen könnte bald jederzeit zum Maßstab für ein selbstbestimmtes Ableben werden. Insbesondere kranke, alte, hilfs- und pflegebedürftige Menschen werden sich zunehmend mit der stillen oder expliziten Erwartung konfrontiert sehen, ihre Pfleger und Erben von den Mühen zu befreien, den sie mit ihren hohen Belastungen verursachen. Gerade Menschen in prekären Lebenssituationen werden zu dem Ergebnis kommen, dass sich ihr Weiterleben nur noch unter ganz bestimmten Umständen „lohnen“ würde.

Das generelle Angebot und die Akzeptanz der aktiven Suizidunterstützung, könnten, wenn der Bundestag auf diesem Weg gemäß den „Weisungen“ des Bundesverfassungsgerichtsurteiles weitergeht, dazu führen, dass dieser tödliche „Ausweg“ aus Lebens- und Sinnkrisen, oder bei hohen gesundheitlichen Belastungen zum gefährlichste Weg in Richtung einer mitleidlosen, gleichgültigen und erbarmungslosen Gesellschaft wird. Und dies wird ausgerechnet in der aktuellen Coronapandemie diskutiert, in der das Gesundheitswesen, Staat und Gesellschaft höchst eindrucksvoll, Tag und Nacht um Menschenleben ringend, mit höchstem Einsatz beweisen, wie wichtig der Schutz jedes menschlichen Lebens bis zum Lebensende ist und wie uneingeschränkt die Solidarität mit den Schwächsten gefordert ist.

Es bleibt nach der kommenden Debatte im Bundestag, die darauf schließen lässt, dass der Bundestag noch in dieser auslaufenden Legislaturperiode eines der vielleicht liberalsten Sterbehilfegesetze weltweit etablieren könnte, zu hoffen, dass sich breiter Widerstand regt! Bei den Bürgern und besonders auch in der Ärzteschaft und bei den Kirchen. Ein ganz zentraler Meilenstein wird bald die Entscheidung des Bundesärztetages im Mai sein. Dazu regt sich bereits vielfältiger Widerspruch in der Ärzteschaft. U.a. ist eine Ärzteinitiative (ÄrzteLiga) entstanden, die sich in einer Erklärung gegen den ärztlich assistieren Suizid ausgesprochen haben und weitere Unterzeichner suchen. Die Christdemokraten für das Leben (CDL) werden sich mit großen Engagement an dieser Auseinandersetzung beteiligen. Vielleicht kann es doch noch verhindert werden, das die sogenannte „Hilfe“ beim Suizid zum neuen und bald alltäglichen Angebot für ein schnelles Lebensende für jeden Suizidwilligen wird, wie dies das Bundesverfassungsgerichtsurteil leider  als straffreie Option eröffnet hat.“

Odila Carbanje
Stellv. BundesvorsitzendeChristdemokraten für das Leben e.V.
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